Übersetzung

des Interviews aus dem Westfield Newsletter Frühling 2013

Viele Jahre lang war die GOArt-Orgel-Forschungswerkstatt ohne Gregor Bergmann mit seiner freundlichen, offenen Art nicht zu denken. Gregor wurde als überaus präzise arbeitender, ausgezeichneter Handwerker geschätzt. Viele der herausragenden Merkmale der GOArt Orgeln wurden von ihm mitentwickelt. Vor kurzem hat Gregor eine eigene Werkstatt eröffnet, wo er Clavichorde und kleine Orgeln baut – eine gute Gelegenheit, ihm einige Fragen zu stellen.         Tilman Skowroneck

Gregor, ich habe dich in der GOArt-Orgel-Forschungswerkstatt kennengelernt. Später hast du für eine bekannte deutsche Orgelbauerwerkstatt gearbeitet. Jetzt treffen wir dich in deiner eigenen gemütlichen Werkstatt, wo du – wie wir auf deiner Website lesen – in eigener Regie „kleine Orgeln und Clavichorde“ baust. Wie kam es zu diesem Wechsel?

Wenn ich meine Zeit als Lehrling mitzähle, habe ich fast 20 Jahre lang in verschiedenen Werkstätten gearbeitet. Dabei habe ich immer von den Fähigkeiten der dort arbeitenden Handwerker gelernt. Außerdem waren die Projekte, an denen ich mitarbeitete, von besonderer Bedeutung für mich. Einige sprengten den Rahmen dessen, was üblicherweise zum Orgelbau dazu gehört. Ich hatte das Glück, in fast allen Bereichen des Orgelbaus zu arbeiten. Es fehlte aber die Herausforderung, die der gesamte Prozess des Orgelbaus – selber planen, bauen und zu einem guten Abschluss bringen – mit sich bringt. Der Wunsch, Instrumente nach meinen eigenen Vorstellungen zu bauen, wurde immer größer – ich denke, es war an der Zeit, dass ich mein eigener Meister wurde.

Ich nehme mal an, es war die Zeit in Göteborg, die dir den „Clavichordfloh“ ins Ohr gesetzt hat. Gab es einen bestimmten Punkt in deiner Karriere, an dem es „klick“ gemacht hat?

Verschiedene Tasten und andere Teile, auf einer Werkbank ausgebreitet, waren das erste, was ich von einem Clavichord sah; ein anderer Lehrling in der Werkstatt, in der ich lernte, baute ein Wählström-Clavichord nach einer gekauften Bauanleitung. Leider habe ich es nie spielen hören, vielleicht hätte es damals schon „klick“ gemacht. Aber in meiner Erinnerung  habe ich noch ein schönes Bild von ihm und der erwartungsfrohen Werkbank vor mir. Später haben mich zwei Konzerte tief bewegt, beide während der Orgel-Akademie in Göteborg, ungefähr zu der Zeit, als ich begann dort zu arbeiten. Bei einem spielte Joel Speerstra wunderschön auf einem Gerstenberg Pedal-Clavichord, und beim anderen spielte Harald Vogel auf der Kopie eines Friederici Clavichords, das in der GOArt Werkstatt gebaut worden war. Beeindruckt war ich von Joels intellektuellem Ansatz Instrumente zu bauen und der Enthusiasmus, der bei Joel und in der GOArt Werkstatt erlebbar war, wirkte ansteckend.

Welche Phase beim Bau eines Instruments magst du am liebsten?

Eigentlich mag ich alle Phasen, am liebsten ist mir aber der Anfang. Noch sieht man weit und breit keinen Fehler, alles ist wunderbar geordnet im Kopf und alles geht einem glatt von der Hand, oft auch dank moderner Werkzeuge. Schwierig wird es später, wenn das Instrument fast fertig ist. Um es immer noch ein Stück besser zu machen, muss man unglaublich viel Zeit investieren. Hier braucht man Durchhaltekraft und an einem bestimmten Punkt muss man innerlich loslassen, sonst wird man nie fertig. Jedem Instrument so viel Zeit zukommen zu lassen, wie es braucht, scheint eins der großen Geheimnisse der Zunft zu sein. Ich war überrascht zu sehen, wie viel Zeit selbst erfahrene Orgelbauer brauchen, um den Effekt zu erzielen, den sie anstreben.

Als ich Student war, sahen noch viele Leute das Clavichord als eine Merkwürdigkeit des 18. Jahrhunderts an: damals vielleicht von Bedeutung, aber im modernen Musikbetrieb nicht sinnvoll einzusetzen. Heute spielt man Konzerte darauf (wenn auch nur vor kleinem Publikum) und Organisten benutzen es zum Üben. Gibt es aus Sicht des Clavichordbauers einen verlässlichen Markt und wenn ja, welche Clavichorde wollen oder brauchen die Leute?

Ja, ich glaube, es gibt einen Markt für Clavichorde und ich hoffe, dass ich meine Nische finde. Was die Leute wollen oder brauchen, scheint wenig berechenbar zu sein. Manche verlieben sich in ein Instrument, das man zufällig bei sich hat. Andere bevorzugen eine besondere Bauart oder den Nachbau aus einer bestimmten Epoche. Es wäre schön, wenn die Leute mehr ihrem Gefühl trauten und sich auf ein Instrument erst einmal einließen, bevor sie zu einem Urteil kommen. Eine Ausstellung mit Instrumenten von vielen verschiedenen Clavichordbauern bietet eine gute Gelegenheit das zu tun. Die Nachbauten desselben Silbermann Clavichords von verschiedenen Clavichordbauern  können sehr unterschiedlich klingen. Daran sieht man, dass es wichtig ist, einen modernen Clavichordbauer zu finden, der einem entspricht. Ich weise einen Interessenten auf andere Clavichordbauer hin, wenn ich merke, dass deren Stil seinen Erwartungen eher entspricht.

Einen beträchtlichen Teil der letzten 15 Jahre hast du in einer Werkstatt mitgearbeitet, die den Bau von Instrumenten wissenschaftlich begleitete. Es interessiert mich nun sehr, welchen Prinzipien du folgst beim Bau deiner Instrumente und welche Instrumente du bis jetzt gebaut hast.

Ich denke, der erste starke Eindruck eines Instruments ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Klang, Spielgefühl und Aussehen. Die beste Art herauszubekommen, wie man den Klang und das Spielgefühl erreicht, die man haben möchte, ist von einem Meister des Goldenen Zeitalters des Instrumentenbaus zu lernen. Es kann sich besonders lohnen, jene kleinen Details „blind“ zu kopieren, die man eigentlich gern anders machen würde, denn vielleicht gibt es ein Geheimnis, das man erst im Prozess des Bauens entdeckt, also ist es gut, beim Nachbau genau so vorzugehen, wie es das Original vorgibt. Das Aussehen eines Instruments schafft eine Atmosphäre, die für den Spieler und die Zuhörer von großer Bedeutung ist. Ich baue meine Instrumente so, dass sie angemessen altern. So können sie die Patina entwickeln, die wir so sehr an alten Instrumenten bewundern. Bis jetzt habe ich drei gebundene Clavichorde nach dem Instrument von Hubert aus Nürnberg (1789) gebaut und ein ungebundenes Clavichord nach dem unteren Manual von Gerstenbergs Pedalclavichord. Nachdem ich diese Instrumente fertig hatte, habe ich begonnen, eine Truhenorgel zu planen und zu bauen, die mit Geige und Cello zusammen gespielt werden wird.

Clavichordbauer scheinen eher zu den Stillen zu gehören. Vielleicht gibt es da sogar einen Zusammenhang mit dem Klang der Instrumente, die sie bauen – vielleicht passt es nicht, die zarten Qualitäten des Clavichords mit lauter Stimme anzupreisen. Aber wie schafft man sich dann Gehör, wenn man eine eigene Werkstatt aufmacht? Kannst du uns etwas über erfolgreiches „clavichord networking“ sagen?

Die Clavichordwelt hat feine Ohren und ist recht gut organisiert. Zum Beispiel hat die Deutsche Clavichord Societät zweimal jährlich ein Treffen, wo auch Instrumente ausgestellt werden. Das ist eine sehr gute Gelegenheit Leute zu treffen. Hier können sie deine Arbeit sehen und beurteilen. Und da unsere Arbeit darin besteht, ein Instrument herzustellen, können die Leute am besten Vertrauen in dich entwickeln, wenn sie es sehen, hören und spielen. Ich habe ein Clavichord gebaut und es zu Ausstellungen mitgenommen. Außerdem habe ich Musiker, die auf der Durchreise waren, eingeladen, es sich anzusehen. Oder ich habe es auf Reisen mitgenommen und Treffen organisiert. Auch habe ich versucht, Pianisten aus der Umgebung für das Clavichord zu begeistern. Das hat sich aber als ziemlich schwierig herausgestellt. Ich frage mich, warum Pianisten dazu neigen, das Clavichord als minderwertig zu betrachten, zumal es in viele Zimmer und zu vielen Repertoirs viel besser passen würde als ein modernes Klavier.

Nun noch ein paar Fragen zu den kleinen Orgeln. Sie sind wegen des begrenzten Innenraums nicht leicht zu bauen; außerdem ist die Konkurrenz auf diesem Marktsektor ziemlich groß. Andererseits gibt es nur wenige gut klingende Continuo-Orgeln und man kann froh sein, wenn man ein gutes Instrument hat. Es kann eine wirklich gute Unterstützung für den Continuo-Spieler und die anderen Musiker sein. Welche Ziele verfolgst du, wenn du ein solches Instrument baust? Was braucht man, um eine gute Continuo-Orgel zu bauen, die bezahlbar ist?

Man braucht ein gutes Konzept, viele Stunden Vorbereitungsarbeit und Erfahrung, um eine bezahlbare und gute Continuo-Orgel zu bauen. Leider ist es so, dass bei jedem Prototyp entweder der Orgelbauer oder der Kunde draufzahlt. Das Ziel ist natürlich, eine Orgel zu bauen, die gut klingt, gut aussieht und sich in Kiruna genauso gut verhält wie in Tennessee. Aber, wie du sagst, wegen des begrenzten Raums in dem kleinen Gehäuse ist das schwierig. Offene Pfeifen reagieren zum Beispiel sehr empfindlich auf ihre Umgebung und eine Pfeife, die sehr schön außerhalb der Orgel klingt, mag die beengte Situation innerhalb der Orgel oft gar nicht .

Hast du irgendwelche historischen Vorbilder für diese Arbeit?

In einzelnen Details folge ich historischen Vorbildern, z.B. beim Pfeifenbau, bei der Windladenkonstruktion oder bei der Gestaltung des Gehäuses. So richte ich mich nach einem bewährten Design und lerne gleichzeitig von den Alten Meistern . Aber am Ende ist das Instrument eine Mischung aus den Wünschen des Kunden und dem, wie ich diese Wünsche umsetze. Ich glaube, dass man sich bei Continuo-Orgeln nicht unbedingt auf bestimmte historische Instrumente beziehen muss, weil die meisten damals nicht so benutzt wurden, wie wir es heute tun.

Was ist wichtiger bei so einem Instrument, dass man auf die Wünsche des Kunden hört oder dass man versucht, den Kunden von einem bestimmten Konzept zu überzeugen?

Ich denke für den Instrumentenbauer ist es eine größere Herausforderung und gleichzeitig lehrreicher, auf die Wünsche des Kunden zu hören. Für die Werkstatt ist der Kunde ein wichtiger Ideengeber und „Rückmelder“. In der Regel wird das Ergebnis dadurch besser, und der Kunde ist zufriedener – das ist wichtig bei kleinen Orgeln, weil sie normalerweise „persönliche“ Instrumente sind. Natürlich gibt es eine Grenze, die man nicht überschreiten möchte, aber in so einem Fall kann man entweder mit dem Kunden diskutieren oder man kann einen anderen Instrumentenbauer empfehlen, der besser zu ihm passt.

An welchen Projekten arbeitest du zur Zeit?

Jetzt bin ich gerade in der Durchhalte-Phase mit meiner Truhenorgel und danach freue ich mich auf den Bau eines Portativs. Das scheint ein interessantes Projekt zu werden, zwischen einem entdeckungsfreudigen Kunden und einem entdeckungsfreudigen Instrumentenbauer, dank der Renaissance, die das Portativ zur Zeit erlebt.

Vielen Dank für das Interview, Gregor.

(Das Interview führte Tilman Skowroneck)